Zentrale PEG 21

Stand: Dezember 2012

 

 

 

Einführung in §§ 31 bis 32 SGB II
Sanktionen

 

 
 
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1.   Das gesetzgeberische Konzept

Dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) liegt der Grundsatz des Fördern und
Fordern zugrunde. Leistungsberechtigte sollen individuell gefördert und unterstützt
werden. Gleichzeitig wird von ihnen gefordert, dass sie alle Möglichkeiten nutzen, um
ihre Hilfebedürftigkeit zu verringern bzw. zu beenden. Übergeordnetes Ziel ist es,
Langzeitarbeitslosigkeit und dauernde Abhängigkeit von staatlichen Transferleistun-
gen zu verhindern.

Das Gesetz sieht insbesondere den Einsatz der Arbeitskraft erwerbsfähiger Leis-
tungsberechtigter zur Beschaffung des Lebensunterhaltes für sich und die mit ihnen
in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen als herausragende Möglichkeit an,
Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht in Anspruch nehmen zu
müssen. Konkretisierend werden daher die Leistungsberechtigten zur aktiven Mitwir-
kung an allen erforderlichen Maßnahmen zur Eingliederung verpflichtet.

Die konkrete Ausgestaltung erfolgt auf Basis des individuellen Unterstützungsbedarfs
und dem Einzelfall angemessen durch die persönlichen Ansprechpartner/innen in
Zusammenarbeit mit den Leistungsberechtigten.

In diesem Kontext zielen die Vorschriften .auch darauf ab, möglichem Fehlverhalten
der leistungsberechtigten in Bezug auf deren Pflichten nach dem SGB II vorzubeu-
gen oder Fehlverhalten zukünftig zu vermeiden (Prävention).

Sanktionstatbestände liegen nicht nur vor, wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte
die von ihnen geforderte Mitwirkung verweigern. sondern auch, wenn Leistungen
wegen vorsätzlicher Herbeiführung der Hilfebedürftigkeit zu leisten sind oder ein
Verhalten gezeigt wird, welches die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsu-
chende zu Lasten der Steuerzahler zur Folge hat. Auch Fehlverhalten von nicht er-
werbsfähigen Leistungsberechtigten (Sozialgeld) - außerhalb der Mitwirkung an ihrer
Eingliederung - wird sanktioniert .


2.  Charakter der Sanktion

Die §§ 31 bis 32 SGB II regeln Sanktionen aufgrund pflichtwidrigen Verhaltens. Eine
solche Sanktion ist keine Strafe im strafrechtlichen Sinne. Das Verhalten der Betrof-
fenen wird auch nicht in diesem Sinne "verurteilt". Durch den Eintritt einer Sanktion
wird die betroffene leistungsberechtigte Person pauschaliert und z, T. typisierend an
den finanziellen Folgen ihres Verhaltens (fehlende Mitwirkung im Integrationsbereich,
Meldeversäumnisse etc.) beteiligt. Zudem weist das Sanktionssystem einen erziehe-
rischen Charakter auf, Betroffene sollen dazu angehalten werden, zukünftig ihren
Pflichten nachzukommen.

 

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3.   Handlungsauftrag an die Leistungsträger bzw. die Jobcenter

In der Regel treten sanktionsrelevante Tatbestände während des laufenden Integra-
tionsprozesses - in der Interaktion zwischen der/dem persönlichen Ansprechpart-
ner/in und der leistungsberechtigten Person - auf.

Dem Leistungsträger/Jobcenter steht kein Ermessen darüber zu, ob eine Sanktion
eintritt oder nicht. Die Behörde hat nach dem Amtsermittlungsgrundsatz (vgl. § 20 ff.
SGB X) festzustellen, ob der Tatbestand für eine Sanktion vorliegt. Ist das der Fall,
treten die Rechtsfolgen kraft Gesetzes ein. Erst als Folge des Eintritts der Sanktion
besteht im Rahmen von Ermessensentscheidungen die Möglichkeit, bestimmte Leis-
tungen (wieder) zu erbringen oder die Sanktion zeitlich zu begrenzen. Die Leistungs-
träger bzw. Jobcenter haben also insoweit keinen Spielraum im Hinblick auf ge-
schäftspolitische Absichten oder sozialpolitische Auffassungen. Die Rechtsfolge darf
nicht eintreten, wenn die dafür maßgebende Tatbestandsvoraussetzung nicht vor-
liegt. Umgekehrt darf auf den Eintritt der Sanktion nicht verzichtet werden, wenn der
Tatbestand festgestellt worden ist. Dem entgegen stehende Entscheidungen sind
rechtswidrig.

Es liegt somit nicht in der Hand der Beschäftigten, ob sie/er bei Anhaltspunkten auf
einen Sanktionstatbestand die Feststellungen zum Sachverhalt überhaupt aufneh-
men. Dies ist nach dem Untersuchungsgrundsatz geboten, nach dem die Behörde
den Sachverhalt von Amts wegen ermittelt. Zwar bestimmt die Behörde Art und Um-
fang der Ermittlungen, sie hat jedoch alle für den Einzelfall bedeutsamen Umstände
zu berücksichtigen. Zu ermitteln sind die rechtserheblichen Tatsachen. Die Tatsa-
chen bilden die Grundlage für die Entscheidung darüber, ob die Tatbestandsvoraus-
setzungen für den Eintritt einer Sanktion vorliegen. Tatsachen sind nicht immer
"glasklar" aktenkundig; sie können einer Entscheidung zugrunde gelegt werden,
wenn sie glaubhaft gemacht worden sind. Das ist der Fall, wenn ihr Vorliegen nach
dem Ergebnis der auf sämtliche erreichbare Beweismittel erstreckten Ermittlung
überwiegend wahrscheinlich ist (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X). Die
Nichterweislichkeit einer Tatsache geht im Übrigen zu Lasten der Betroffenen, wenn
die Umstände dafür in ihrer persönlichen Sphäre liegen, sie z. B. der Behörde ver-
schlossene Möglichkeiten zur Erlangung entsprechender Nachweise nicht nutzen.
Die Leistungsträger bzw. Jobcenter dürfen sich ihrerseits Amtsermittlungen nicht
verschließen, wenn sie Anhaltspunkte für eine Tatsache erkennen, deren Nachweis
der betroffenen Person nicht möglich ist. Nach der Rechtsprechung des Bundessozi-
algerichts besteht aber keine Verpflichtung, "ins Blaue hinein" zu ermitteln. Bei der
Beurteilung des wichtigen Grundes gibt es sicherlich Entscheidungsspielräume, der
wichtige Grund ist jedoch ein gerichtlich voll nachprüfbarer unbestimmter Rechtsee-
griff.

Ein gewisser Gestaltungsspielraum besteht jedoch hinsichtlich der im Einzelfall auf-
erlegten Pflichten, die zwischen der/dem Leistungsberechtigten und der/dem persön-
lichen Ansprechpartner/in in der gemeinsam zu erarbeitenden Eingliederungsverein-
barung verbindlich festgelegt werden. Wegen den bei jeder leistungsberechtigten
Person unterschiedlich anzutreffenden konkreten Voraussetzungen im Hinblick auf
die Integrationschancen am Arbeitsmarkt, besteht das Erfordernis, die Eingliede-
rungsvereinbarung individuell auszugestalten. Basis dafür ist die Durchführung einer
 

 

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sorgfältigen Standortbestimmung, die die Stärken und den Unterstützungsbedarf der
leistungsberechtigten Person identifiziert und darauf aufbauend individuelle Ziele und
Pflichten für die erfolgreiche Umsetzung der Integrationsstrategie ableitet. Die daraus
resultierende Eingliederungsvereinbarung bietet damit ein wirkungsvolles Instrument
zur Erzeugung von Verbindlichkeit im Integrationsprozess. Die darin festzulegenden
Ziele und Pflichten sollen realistisch und erfüllbar für die Leistungsberechtigten sein.

 

4.   Geschäftspolitik und Zielvereinbarungen

Sanktionen nach den §§ 31 bis 32 SGB II verfolgen nicht den Zweck, Leistungen
einzusparen; sie wirken sich auch nicht auf das geschäftspolitische Ziel "Verringe-
rung der Hilfebedürftigkeit" aus. Es muss eine Selbstverständlichkeit sein, dass keine
Sanktion eintreten darf, für die die Tatbestandsvoraussetzungen nicht festgestellt
wurden. Die §§ 31 bis 32 SGB II sind in der Praxis, wie alle anderen gesetzlichen
Vorschriften auch, rechtmäßig umzusetzen. Die Vorschriften sind demnach konse-
quent anzuwenden. Das ist schon deshalb erforderlich, damit die Vorschriften bun-
desweit einheitlich gehandhabt werden. Die unumgänglichen Weisungen enthalten
die Fachlichen Hinweise der Bundesagentur für Arbeit. Weitere Lösungen zu praxis-
orientierten Problemen bei der Umsetzung der §§ 3'1 bis 32 SGB II bieten die Einträ-
ge in der Wissensdatenbank SGB II.

 

5.   Das soziale Gewissen

Die Sanktionsvorschriften berühren häufig das soziale Empfinden. Betroffene emp-
finden den Eintritt einer Sanktion oft als diskriminierend. Mitarbeiterinnen und Mitar-
beiter äußern zuweilen Verständnis. Dennoch muss die Entscheidung über den Ein-
tritt einer Sanktion sich ausschließlich an der Rechtslage orientieren. Die Sanktions-
vorschriften beruhen auf einer parlamentarischen Entscheidung, an die die Bunde-
sagentur für Arbeit als ausführende Behörde gebunden ist. Auch in Kenntnis dieser
Rechtsfolgen sind z. B. die Pflichten in einer Eingliederungsvereinbarungen so kon-
kret wie möglich mit der leistungsberechtigten Person zu besprechen und festzu-
schreiben. Dabei ist insbesondere darauf zu achten, dass die Pflichten - bezogen auf
die individuelle Situation der leistungsberechtigten Person - realistisch und erfüllbar
sind. Auch die Zumutbarkeit von Beschäftigungs- und Maßnahmeangeboten ist vor
Erteilung des Angebotes intensiv zu prüfen. Die Übereinstimmung der Vorschriften
mit dem ansonsten geltenden (übergeordneten) Recht ist allein den Gerichten vor-
behalten. Verfassungsrechtliche Bedenken wegen der Minderung des Arbeitslosen-
geldes II wegen Pflichtverletzungen hat auch das BVerfG in seinem Urteil vom
9.2.2010 (1 BvL 1/09, 3/09 und 4/09) nicht geäußert. Das BSG hat in seiner Ent-
scheidung vom '15.12.2010 (B 14 AS 92/09 R) aus dieser Verfassungsgerichtsent-
scheidung lediglich eine erhöhte Warnfunktion der Rechtsfolgenbelehrung im Bereich
der Grundsicherung hergeleitet.

Das System der Sanktionen sieht - wo dies möglich ist - eine schriftliche Rechtsfol-
genbelehrung oder die Kenntnis der einschlägigen Rechtsfolgen vor. Damit ist si-
cherqestellt, dass Leistungsberechtigte nur sanktioniert werden, wenn sie zuvor auf
die möglichen Folgen eines zukünftigen Fehlverhaltens konkret aufmerksam ge-

 

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macht worden sind. Der Tatbestand für eine Sanktion ist zudem nur erfüllt, wenn alle
im Gesetz vorgesehenen Voraussetzungen vorliegen (vgl. z. B. Schlüsselbegriffe wie
"sich weigern", "Anlass gegeben", "Absicht"). Auch dann kann eine Sanktion nur ein-
treten, wenn die betroffene Person keinen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegt
und nachweist. Verschärfte Sanktionen treten nur im Wiederholungsfall ein; das Ge-
setz schreibt die Erteilung entsprechender Rechtsfolgenbelehrunqen vor.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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